News Avoidance – Wenn sich keiner mehr für Nachrichten interessiert, dann…

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Der Spagat zwischen mentaler Ruhe und gesellschaftlicher Verantwortung, wird in Zeiten vollständiger Informationsüberflutung auf allen Kanälen zu einem oft unüberwindbaren Hindernis. Für immer mehr Menschen ist klar: Nachrichten ausschalten; Kopf frei bekommen. News Avoidance liegt voll im Trend. Und trotzdem ist eine Totalabkehr von Nachrichten ein Weg, der uns nachdenklich stimmen sollte. Wir wollen uns mit Vorschlägen gegen einen vollständigen Nachrichtenverzicht wenden: Nicht mehr und ständig, dafür gezielt und mit Abstand Nachrichten konsumieren, könnte ein Mittelweg sein.

News aus allen Winkeln der Welt. Immer und in Echtzeit. Das kann überfordern | Pete Linforth auf Pixabay

Du wirst ruhiger, wenn du keine Nachrichten mehr liest. Du schläfst besser, bist weniger gereizt, dein Kopf fühlt sich freier an.
Das sagen viele, die sich bewusst von der täglichen Nachrichtenflut zurückziehen – ein Phänomen, das unter dem Begriff News Avoidance bekannt geworden ist.

Die Entscheidung, sich weniger zu informieren, kann eine gesunde Reaktion auf eine überfordernde Medienlandschaft sein.
Aber: Was passiert, wenn sich ganze Gesellschaften abwenden? Wenn niemand mehr hinsieht – wer schützt dann noch unsere Umwelt, unsere Demokratie, unsere Rechte?

Wie verbreitet ist News Avoidance wirklich?

Die zunehmende Nachrichtenvermeidung ist längst kein Randphänomen mehr. Der Digital News Report 2023 des Reuters Institute zeigt:

  • In Deutschland geben 32 % der Befragten an, Nachrichten bewusst zu vermeiden – zumindest gelegentlich.

  • Besonders betroffen sind jüngere Altersgruppen sowie Frauen.

  • Als Hauptgründe nennen die Befragten:

    • emotionale Überforderung,

    • wiederholte politische Inhalte (z. B. zu COVID-19 oder Kriegen),

    • negative Auswirkungen auf die Stimmung,

    • das Gefühl von Machtlosigkeit,

    • und mangelndes Vertrauen in Medien.

Zudem geben 10 % der unter 35-Jährigen an, Schwierigkeiten zu haben, die Inhalte von Nachrichten überhaupt vollständig zu verstehen – bei älteren Generationen liegt dieser Wert deutlich niedriger.

News Avoidance könnte langfristig zu einer wachsenden Kluft in der Informationsgesellschaft führen, mit Folgen für politische Beteiligung und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Quelle: Digital News Report 2023, Reuters Institute for the Study of Journalism

News Avoidance – verständlich, aber nicht harmlos

News Avoidance meint die bewusste Reduktion oder komplette Vermeidung von Nachrichtenkonsum – oft ausgelöst durch emotionale Überforderung, Wiederholungen, gefühlte Machtlosigkeit oder schlicht Erschöpfung.

Viele Menschen erleben dabei eine echte Erleichterung. Kein ständiges Scrollen, keine Schreckensmeldungen, kein Meinungskrieg in Kommentarspalten.

Doch mit dem Rückzug entsteht auch ein Vakuum. Wer sich dauerhaft entzieht, verliert Orientierung.
Und eine Gesellschaft, in der niemand mehr informiert ist, verliert ihre Wachsamkeit.

Was wir verlieren, wenn niemand mehr hinschaut

Die große Gefahr liegt nicht im Einzelfall – sondern im Trend. Wenn immer mehr Menschen News Avoidance betreiben, entsteht:

  • ein Verlust an gesellschaftlicher Aufmerksamkeit
  • ein Rückgang von politischer Teilhabe
  • eine wachsende Kluft zwischen informierten und nicht-informierten Gruppen
  • mehr Raum für Desinformation, Polarisierung und Rücksichtslosigkeit

Nachrichtenvermeidung kann zur Entpolitisierung führen – und damit jenen in die Hände spielen, die von mangelnder Kontrolle profitieren.

Der Mittelweg: bewusste Informationspraxis statt vollständiger Rückzug

Es geht nicht darum, sich jeden Tag durch alle Schlagzeilen zu quälen. Sondern darum, einen informierten Lebensstil zu entwickeln, der dich nicht überfordert – aber wach hält.

Hier ein paar alltagstaugliche Prinzipien:

  • Begrenze deine Nachrichtenzeiten. Einmal täglich reicht oft völlig. Morgens oder abends – aber nicht beides.
  • Wähle deine Quellen gezielt. Setz auf mediale Qualität, nicht auf Lautstärke.
  • Diversifiziere. Lies nicht immer dieselben Formate – such bewusst auch nach konstruktivem Journalismus.
  • Hinterfrage emotionale Trigger. Wenn dich eine Schlagzeile wütend oder ängstlich machen soll, frag dich: Wem nützt das?
  • Plane medienfreie Zeiten ein. Besonders am Wochenende oder abends – für echte Erholung.

News Avoidance ist ein verständlicher Reflex. Aber er darf kein Dauerzustand werden. Wenn sich niemand mehr für Nachrichten interessiert, überlassen wir das öffentliche Gespräch denen, die es manipulieren wollen. Und genau das darf nicht passieren – nicht im Klimaschutz, nicht im Artenschutz, nicht in der Demokratie. Du musst nicht alles wissen. Aber du solltest wissen, wo du hinsehen willst – und warum. Denn ein klarer Kopf ist wichtig. Eine klare Haltung auch.