Der Harz ist heute nicht nur eines der schönsten Mittelgebirge Deutschlands – er ist auch Heimat der größten Luchspopulation der Bundesrepublik. Was vielen Wandernden verborgen bleibt, ist das Ergebnis eines der wichtigsten Artenschutz-Projekte des Landes: die Wiederansiedlung des Eurasischen Luchses. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute zum 25 Jahrestag.

Vom Gejagten zum Symboltier
Bis ins 18. Jahrhundert hinein war der Luchs in den ausgedehnten Wäldern Mitteleuropas weit verbreitet. Doch mit dem Ausbau der Landwirtschaft, wachsender Besiedlung und gezielter Jagd wurde er immer weiter zurückgedrängt. In Deutschland galt er bis Anfang des 20. Jahrhunderts als ausgerottet.
Der Eurasische Luchs (Lynx lynx) ist eine große, scheue Wildkatze – ein Einzelgänger mit einem ausgeprägten Revierverhalten und beeindruckender Jagdtechnik. Doch diese Fähigkeiten nützten wenig gegen Gewehrläufe und Wilderei. Erst in den 1990er Jahren, mit dem wachsenden Bewusstsein für Artenschutz, begann sich das Blatt zu wenden.
Die Geburtsstunde des Luchsprojekts Harz
Im Jahr 2000 fiel der Startschuss: Im Nationalpark Harz begann man mit der gezielten Auswilderung von Luchsen, die zuvor in europäischen Gehegen unter möglichst natürlichen Bedingungen aufgezogen worden waren. Diese Tiere stammten u. a. aus der Slowakei und Tschechien – genetisch passend für den mitteleuropäischen Raum.
Die ersten Jahre waren geprägt von intensiver Vorbereitung:
- Gehege wurden eingerichtet, um die Tiere an ihre neue Umgebung zu gewöhnen.
- Ein umfassendes Monitoring wurde aufgebaut.
- Die Bevölkerung wurde über Infoveranstaltungen, Schulprojekte und Medienarbeit eingebunden.
Denn klar war: Ohne gesellschaftliche Akzeptanz würde das Projekt nicht funktionieren.
Herausforderungen: Jagd, Wilderei, Misstrauen
Luchse sind keine Gefahr für den Menschen – aber sie reißen gelegentlich Rehe oder kleinere Nutztiere wie Ziegen. Das sorgte für Konflikte, insbesondere bei Jägern und Weidetierhaltern. Immer wieder gab es Diskussionen über den Einfluss der Großkatze auf Wildbestände.
Einige Tiere verschwanden spurlos – in manchen Fällen ist Wilderei nicht auszuschließen.
Trotzdem blieb das Projekt auf Kurs. Entscheidend war die konsequente Begleitung durch Öffentlichkeitsarbeit, Kompensationsregelungen für Tierhalter und transparente Forschung.
Heute: Eine stabile Population
Über 20 Jahre nach Projektbeginn leben im Harz heute rund 90 bis 100 freilebende Luchse. Es handelt sich um eine der wenigen stabilen Luchspopulationen Mitteleuropas. Die Tiere sind standorttreu, zeigen Reproduktionserfolge – und wagen vereinzelt sogar weite Wanderungen in benachbarte Regionen.
Einige dieser Abwanderer wurden später in Hessen, Nordrhein-Westfalen oder sogar im Thüringer Wald nachgewiesen. Das zeigt: Die Harzer Luchse sind nicht nur Überlebenskünstler – sie sind Pioniere für die Wiedervernetzung isolierter Waldlebensräume. Damit das gelingen kann, braucht es weitere Anstrengungen: Wildbrücken müssen potentielle Reviere verbinden, Waldkorridore müssen entlang von Wanderungsroute geschaffen werden. Luchse gründen neue Reviere meist in unmittelbarer Nähe zu bestehenden Revieren. Und da sich häufig nur die Kuder (männliche Luchse) auf leisen Pfoten auf Wanderschaft begeben, ist es ein engmaschiges Netz von Luchs-Lebensräumen unabdingbar.
Warum der Harz perfekt war
Der Nationalpark Harz bietet ideale Voraussetzungen:
- Große, zusammenhängende Waldflächen
- Geringe Störung durch Infrastruktur
- Ein hoher Bestand an Rehwild als Beutetier
Und: eine engagierte Naturschutzverwaltung, die das Projekt bis heute wissenschaftlich begleitet und weiterentwickelt.
Hoffnungsträger Luchs. Für den Harz und weitere Regionen
Das Harzer Luchsprojekt ist weit mehr als ein Artenschutzprogramm. Es zeigt, was möglich ist, wenn Menschen Verantwortung übernehmen und langfristig denken. Der Luchs wurde zum Sympathieträger für Wildnis – ein Beweis dafür, dass Natur zurückkehren kann, wenn man ihr Raum gibt. Nicht umsonst dient das Projekt heute als Blaupause unter anderem für RELynx, das Luchs-Wiederansiedlungsprojekt im sächsischen Erzgebirge.